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Zeitzeugengespräch mit ehemaligen jüdischen Mitbürgern Heidelbergs

Am 10. Mai 2016 bekamen wir Schülerinnen und Schüler der Kursstufe 1 alle die Chance, mit zwei Zeitzeugen ein Gespräch über ihre Erlebnisse im Dritten Reich zu führen. Stellvertretend für uns alle, hatten sich unsere Mitschülerinnen Katharina Blank, Laura Ritter und Tara Christmann im Geschichtskurs von Herrn Matthias Kneller darauf vorbereitet, die gemeinsam erdachten Fragen an die beiden Zeitzeugen zu stellen. Verena Meier vom Verein „Heidelberger Lupe e.V.“ filmte das Gespräch zudem für eine studentische Projektgruppe der Universität Heidelberg zum Thema „Oral History“.

Zuerst wurden unsere Gäste dann durch ein Grußwort von unserem Schulleiter Herrn Amann begrüßt und dann begann auch schon das Gespräch mit den beiden ehemaligen jüdischen Mitbürgern Heidelbergs, die uns zuerst allgemein von ihrem Leben in Deutschland und in den USA erzählten, außerdem wie es war, dort jeweils als Juden aufzuwachsen. In einer gelösten Gesprächsatmosphäre konnten wir dann alle unsere Fragen stellen, die uns interessierten – auch bedingt dadurch, dass es immer wieder zu Wortmeldungen aus dem Plenum kam.

So erfuhren wir, dass die beiden Zeitzeugen aus jüdischen Familien stammen, die aber noch rechtzeitig vor dem beginnenden Holocaust an den europäischen Juden in die USA fliehen konnten und dort dann aufwuchsen.

Henry Baer wurde am 6.10.1935 in Heidelberg als Sohn von dem Zahnarzt David Baer und seiner Ehefrau Paula Baer geboren. Als 1935 der politische Einfluss der Nationalsozialisten alles beherrschend wurde, entschloss sich seine Familie dazu, zu Verwandten in die USA zu fliehen. Ein Onkel konnte seiner Familie und vielen weiteren Familien zur Flucht verhelfen. Später im Interview nannte ihn Henry Baer einen Helden. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch erst 9 Monate alt, sodass seine Erzählungen Heidelberg betreffend ein implizites Wissen darstellen.

Angekommen in den USA begann eine schwere Zeit für seine Familie, da Henry Baers Vater erst nach vier Jahren eine Arbeitserlaubnis als Zahnarzt bekam. Zudem haben Juden auch in den USA teilweise Diskriminierung erleben müssen, z.B. wurde Henry Baer als Kind von den so genannten „Boy Scouts“ ausgegrenzt, da dies eine kirchliche Organisation war und er deswegen als Jude nicht bei diesen Pfadfindern teilnehmen durfte. Er erzählte, dass diese Diskriminierung vor allem für seine Eltern sehr schwer mit anzusehen war, da sie alles dafür gegeben hatten, ihm ein besseres Leben in den USA zu ermöglichen. Henry Baer erzählte auch, dass es allgemein viele Vorurteile gegen Deutsche gab, Amerika aber grundsätzlich offen für alle war, denn es gab sogar eigene Ausgeh-Clubs nur für Deutsche.

Die Frage, ob er sich heute noch ein Stück weit als Deutscher fühlt, verneinte Henry Baer. Er könnte sich auch nicht vorstellen, noch einmal vollkommen zurück nach Deutschland zu kommen, da er sein komplettes Leben in Amerika verbracht hat. Einzig, als er zum Militär musste, ließ er sich nach Deutschland versetzen, wo er auch seine jetzige Ehefrau kennenlernte, die aus München stammt. Sie leben heute zusammen in Kalifornien auf einem Hausboot. Doch betonten beide während des Gesprächs, wie sehr sie Deutschland und die deutsche Kultur lieben würden. Außerdem seien sie stolz auf das heutige Deutschland und dessen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mia Forscher, geb. Mia Weiner, wurde am 5.9.1922 in Heidelberg als Tochter von Max Weiner und Klara Weiner geboren. Ihr Vater stammte aus der heutigen Ukraine und kam 1910 als österreichischer Staatsbürger nach Deutschland. Mia Forscher lebte mit ihrer Familie in der Brückenstraße, wo ihr Vater eine erfolgreiche Glas- und Porzellanwarenhandlung betrieb. Auch ihre Familie konnte rechtzeitig fliehen, so wanderte Mia Forscher, die damals in die 3. Klasse der Mönchhof-Grundschule ging, im Jahr 1934 mit ihrer Familie in die USA aus.

Für sie als Kind, das eigentlich gar nicht begriff, was um sie herum passierte, war die Zeit in Deutschland seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten sehr hart, da sie plötzlich nicht mehr ihre beste Freundin treffen durfte und sich auch viele enge Freundinnen von ihr abwendeten. Wirklich realisieren konnte sie die Ereignisse der Zeit erst viel später, aber allgemein war die Berichtslage über die Ereignisse in Deutschland in den USA in dieser Zeit sehr schlecht, so erfuhr sie erst sehr viel später vom Holocaust.

Die erste Zeit in Amerika war auch für Mia Forscher sehr schwer, da sie in den USA zunächst noch keine Freunde hatte und auch kein Englisch sprach, weshalb sie in der Schule in eine tiefere Klasse mit jüngeren Schülerinnen eingeschult wurde.

Mia Forschers Verhältnis zu Deutschland ist ähnlich wie das von Henry Baer, denn auch sie liebt Deutschland und vor allem Heidelberg, da dies ihre Heimat als Kind war. Sie würde aber auch nicht wieder hier leben wollen, obwohl sie ihre anfangs starken Vorurteile gegen Deutschland mit der Zeit ablegen konnte. Besonders nämlich Zusammentreffen wie das unsrige, mit unserer Generation als Jugendlichen, konnten auch bei ihr eine Versöhnung mit Deutschland hervorrufen.

Insgesamt war das Gespräch mit den beiden für uns sehr aufschlussreich und wir sind froh, die Chance gehabt zu haben, bei einem solchen Interview mit zwei noch lebenden Überlebenden des Dritten Reichs dabei gewesen zu sein. Bedanken möchten wir uns deshalb bei Frau Viola Frech von der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit unserem Geschichtslehrer Herrn Matthias Kneller, die uns dieses unvergleichliche Gespräch ermöglicht haben.

Stella Majer-Lauterbach KS1, im Mai 2016

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