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Geschichtsexkursion der KS1 2016/17: Die Hölle von Verdun

Splitter.
Die Granate explodiert in unzählige Splitter.
Scharfkantige, graue, tödliche Splitter.
Während unserer Exkursion nach Verdun haben wir ständig Granaten und die damit verbundene Zerstörung gesehen. Zwei Tage haben wir, der vierstündige Geschichtskurs, betreut von Herrn Matthias Kneller und Frau Stefanie Albrecht, versucht, den Schrecken und den Umfang des 1. Weltkrieges zu begreifen.
Aber am Ende sind uns nur Splitter geblieben: Gedanken- und Erinnerungssplitter, die wir im Nachfolgenden sammeln möchten.

Weite.
Die Landschaft rauscht an uns vorbei. Nachdenklich und gespannt darauf, was kommen mag, sitzen wir im Bus. Schon früh am Morgen sind wir losgefahren, um die zwei Tage in Verdun bestmöglich ausfüllen zu können. Je näher wir Verdun kommen, desto mehr Kriegsgräber ziehen an uns vorbei.

Beschaulich.
Verdun wirkt wie ein verträumtes, wenn auch heruntergekommenes Städtchen, von dessen alten Häusern der Putz bröckelt. Die Straße ist bis auf unseren Kurs menschenleer. Das Offizierscasino am Wasser und das Monument de la Victoire betrachten wir als erstes. Obligatorische Gruppenbilder dürfen natürlich nicht fehlen. Hinter den kleinen Steinhäusern ragt das massive Denkmal heraus. Der weiße schlichte Stein leuchtet hell und hebt sich von der grauen Stadt ab. Nachdem wir die 73 Stufen des Siegesdenkmals erklommen haben, bietet sich uns ein Ausblick über die gesamte Stadt. Zentrum des 30 Meter hohen Denkmals bildet die Statue eines Soldaten, dessen Blick gen Osten und somit in Richtung des Deutschen Kaiserreichs gerichtet ist. Das 1929 eingeweihte Denkmal soll die französischen Soldaten ehren und an den Sieg der Franzosen gegen die Deutschen erinnern.

Dunkelheit.
Tief in den Berg reichen die Gänge der „Citadelle souterraine de Verdun“. In kleinen Wägen fahren wir durch diesen ehemaligen Soldatenunterschlupf. Mit dreidimensionalen Animationen wird das damalige Leben der Soldaten nachgestellt. Eine eigene Stadt entstand ab 1893 unter der Festung Verduns: Das unterirdische Labyrinth wurde im 1. Weltkrieg modernisiert, und eine Bäckerei ebenso wie ein Waffenlager und die Zentrale der Generäle entstanden dort. Sowohl für die Logistik als auch für die Moral der Soldaten war die Zitadelle entscheidend: Von dort aus rückten die Soldaten an die Front, und Verwundete konnten sich hier erholen.
Am Ende der Fahrt wohnen wir einer nachgestellten Zeremonie für die unbekannten gefallenen Soldaten bei. Für einen Augenblick steht man völlig im Dunklen und die Kälte, die Angst und die Einsamkeit der Soldaten werden für einen Augenblick erahnbar.

Schrecken.
Im Weltzentrum des Friedens wird der 1.Weltkrieg mit all seinen Facetten thematisiert. Der 1. Weltkrieg ist Auftakt in ein neues Kriegszeitalter: Zerstörerischer. Brutaler. Internationaler als je zuvor. Von 1914 bis 1918 starben mehr als 17 Millionen Menschen, und 40 Staaten waren aktiv in den Krieg involviert. Heute werden in dem ehemaligen Bischhofspalais unter Stuckdecken die Ausmaße des 1. Weltkrieges deutlich.

Nacht.
Langsam bricht die Dämmerung herein. In Kleingruppen ziehen wir durch die ergrauende Stadt. Im Dunkeln leuchtet Verdun, die Lichter spiegeln sich im Wasser und wir laufen. Wir wissen nicht wohin, aber wir gehen trotzdem weiter. Sehen alte Stadtpaläste, neue Wohnblöcke, verlassene Häuser, kaputte Stromleitungen. Wir kommen zu einer winzigen Bäckerei, und in unserem gebrochenen Französisch bestellen wir Eclairs. Die dunkle Schokolade zerläuft, während wir weiter gehen. Die Straßen entlang bis zu dem hell angestrahlten Stadttor, umrahmt von der löchrigen Straße – die grellen Straßenlaternen bestrahlen die schwere Zugbrücke.

Ankommen.
Mittlerweile ist es dunkel und kalt. Wir versuchen das Tor zu unserer Herberge zu öffnen. Doch es bleibt verschlossen. In Panik wollen wir ins Warme, doch erst nach mehrmaligen bilingualen Anrufen lässt sich mit einem Code das Tor entriegeln.
Unsere Herberge ist ein geschichtsträchtiger Ort: 1984 standen Frankreichs ehemaliger Präsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl minutenlang schweigend Hand in Hand nebeneinander. Der sogenannte Schulterschluss geht in die Geschichtsbücher ein. Deutschland und Frankreich verstärken damit noch einmal ihre Freundschaft und betonen die Verbundenheit, die nach jahrhundertelanger Feindschaft bewahrenswert ist. Wir sind angekommen.

Begreifen.
Kann man die Schlacht um Verdun überhaupt erfassen? Diese Aufgabe hat sich das Mémorial de Verdun angenommen. Bei einer sehr informativen Führung erfahren wir viel über die Lebensverhältnisse der Soldaten während der Schlacht, die Strapazen, die schon der einfache Schlamm auf den Schlachtfeldern darstellte, wodurch der Angriff und die Flucht erschwert wurden.
Besonders die persönlichen Zeugnisse der Soldaten berühren uns. Am Ende blieb oft nur ein Eichenblatt übrig. Ein winziges zerbrechliches Blatt, in das vielleicht die letzten Worte eines Soldaten hineingeritzt wurden. Oder die Atemschutzfilter gebrauchter Gasmasken, in denen die vergilbten Photographien von den Geliebten zuhause gerahmt wurden, die die Soldaten vielleicht nie wieder gesehen haben.
Neben den persönlichen Gegenständen trägt vor allem das Ausstellungskonzept zum Verständnis der Ereignisse bei. In diesem Museum, welches 2016 nach einer zweijährigen Umbauphase wiedereröffnet wurde, ist Anfassen erlaubt, man kann über die Absperrungen gehen und somit selbst im Schlamm stehen, wie einst die Soldaten.

Krieg.
„So furchtbar kann nicht einmal die Hölle sein“.
Die Schlacht um Verdun wird als symbolträchtigste, aber auch grausamste Schlacht des 1. Weltkriegs bezeichnet. Diese Stellungsschlacht dauerte vom 21. Februar bis zum 19. Dezember 1916 und kostete mehrere hunderttausend Soldaten das Leben. Die Festung Verdun wurde als unbezwingbar angesehen, die Franzosen versuchten alles, um diese zu halten. Wer Verdun verlieren würde, würde auch den Krieg verlieren. Da es als Symbol des Sieges angesehen wurde, setzten sowohl Frankreich als auch das Deutsche Kaiserreich alles ein, um zu gewinnen. Dies führte dazu, dass nie mehr Soldaten auf so engem Raum gestorben sind. Schätzungsweise 400.000 Menschen starben in dieser „Blutmühle“, und neun Dörfer wurden komplett zerstört – von manchen blieben nur noch vereinzelte Trümmer. Nach zehn Monaten grausamer Schlacht, dreckigen Schützengräbern und fast täglichem Granatenhagel siegte Frankreich. Doch der Schrecken hallt bis heute nach, Giftgasangriffe und Materialschlachten revolutionierten die Kriegsführung unwiderruflich.

Schutzlos.
Die Sonne scheint. Es ist ein wunderschöner Februartag. Wir laufen über die Schlachtfelder Verduns von dem Museum hin zu dem Beinhaus. Wir laufen, wir lachen, wir verlaufen uns. Vor uns liegt eine verrostete Granate, sofort wird sie in die Snapstory gestellt. Wir stoßen wieder auf den richtigen Weg. Manche springen über die von Granateneinschlägen gezeichneten Hügel.
Vor hundert Jahren haben Menschen hier gekämpft, dort, wo wir stehen, starben Menschen. Menschen, die nicht viel älter als wir waren. Heute stehen wir hier, wir leben – so viele sind in diesem Krieg gestorben. Sinnlos. Vielleicht können wir unserem Leben einen Sinn geben.

Tod.
Erst auf dem Friedhof des Beinhauses von Douaumont realisieren wir die tatsächliche Anzahl der gefallenen Soldaten, von denen über 130.000 Gebeine dort begraben sind. Jeder einzelne dieser Menschen hatte gelebt, geliebt und gelitten. Von ihnen sind nur noch anonyme Knochenüberreste verblieben. Besonders erschreckend ist es, durch die Fenster des Beinhauses zu blicken. Aus ihnen starren uns tausende Totenköpfe und Gebeine an. Erst jetzt erkennen wir die Ausmaße dieses Krieges und die Tatsache, dass die Spuren dieser Grausamkeit bis heute anhalten.
Die Schlacht scheint jetzt ganz nah und fassbar. Tausende ließen auf den Schlachtfeldern, die wir von dem Turm des Beinhauses überblicken, ihr Leben. Tausende töteten den sogenannten Feind, aber am Ende töteten sie die Menschlichkeit.

Splitter.
Über 23 Millionen Granaten wurden während der Schlacht von Verdun abgefeuert. Sie zerrissen Körper, Familien, sogar ganze Dörfer. Obwohl es am Ende einen Schlachtsieger gab, war doch jeder in diesem Krieg ein Verlierer. Unvorstellbares Leid, Elend und Schmerz verfolgten jeden Soldaten. Auch wenn die Schlacht schon 100 Jahre vorüber ist, ist es erschütternd: Schließlich können wir die Zukunft leben, die so vielen Soldaten verwehrt worden ist. Geschichten und ungelebte Leben, die wir nur bruchstückhaft wahrnehmen können.
Im Rückblick bleiben auch uns nur Splitter – Splitter, die jeder von uns zu einem Bild über den 1. Weltkrieg zusammenfügen kann, das die Vergangenheit und die Zukunft umschließt.

Von Carolin König, Katrin Sauer und Theresa Halbritter KS1

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